FAZIT

Was soll nun geschehen, wie sind die Schlußfolgerungen, was denke ich, was befürchte ich?

Ich bin mir sicher, dass ich mein drejähriges "Trockenjubiläum" mit einer Flasche selbstgesprudeltem Wasser feiern kann.  Ich versuche bei jeder Zusammenkunft mit Freunden oder Familie das Vorurteil auszuräumen, dass ich, wenn eine Flasche Bier oder ähnliches auf dem Tisch steht, anfange zu sabbern und mir vor Appetit der Speichel aus den Mundwinkeln läuft. Alle die sonst als meine Gäste Alkohol tranken, tuen jetzt so als hätten sie so gar nicht recht Lust auf ein Bier. 

"Na, mal eine Flasche, ich muß noch fahren, heute darf die Frau mal Bowle trinken. Ach lieber nicht, wir sind mit dem Rad. Aber höchstens einen zur Verdauung und dann kannst du gleich die Flasche wieder wegstellen. Ich glaube ich hätte lieber Wasser trinken sollen. Hach, wir vertragen das ja auch nicht mehr so!" 

Für mich sind das Schauspieler.

Wenn sie wieder in ihr kleines Dorf (Stadtteil) kommen, geht es hoch her. Da kommen die Nachbarn regelmäßig, oder man geht hin. Und dann geht die Post ab. Und wenn jemand nicht mehr mithalten kann, dann ist er raus aus der Klicke. So ist das. 

Aus meiner Sicht ist es so, dass man gemieden wird. Ich weine deswegen nicht, es gibt mir aber zu denken. Man besucht sich, weil man verwandt ist, weil die vierundachtzigjährige Mutter das noch gut findet. Wenn die nicht mehr lebt, bricht alles auseinander. Sonst war man zu Weihnachten, zu Sylvesterpartys und auch zu Gartenfeiern eigentlich schon selten genug beieinander, jetzt wird das kaum noch was. Plötzlich sind da neue Nachbarn, auf die nicht mehr  verzichtet werden kann. Da wird gar nicht mehr gefragt, ob wir zusammen feiern wollen. Trockene Alkoholiker sind Aussätzige. Nicht, dass man nicht mehr mit ihnen spricht, aber nicht viel mehr,als man muß. Man ist kein Umgang für normale Leute. Gebrauchen kann man sie, wenn es darum geht angetrunken nach Hause gefahren zu werden. Da spart man ja das Taxigeld. Die Trinkerei war ja teuer genug.

Ich ging in diesm Jahr wieder mit zum Herrentag. Von uns ca. zwanzig Leuten waren wir noch sechs. Alle hatten ihre Zipperlein. Wir fuhren zu dem einen in den Garten, der dort alles vorbereitet hatte.  Alle wussten über mich Bescheid, hatten uns lange nicht gesehen. Kurze Anfrage des Gastgebers, wie es so ist ohne Alk, kurze Antwort wie es so ist ohne Alk und die Sache war erledigt. Ich hatte meine Grapefruitbrause mit und so war alles in Ordnung. Wir haben trotzdem viel gelacht. Ich war der Fahrer, das machte mir aber nichts aus, weil ich so lange integriert war. Wir trafen uns in dieser Runde ab und zu abwechselnd bei jedem mal zum Frühstück und das war auch schön. Das Thema Alkohol wurde nie erwähnt.

Wie fühle ich mich sonst so?

Ich kann wohl sagen, dass es mir nichts ausmacht mit einem Alkohol trinkenden Menschen am Tisch zu sitzen. Was mich stört ist, wenn einer auf mich zu kommt und zu unpassender Zeit schon eine Fahne hat, wie gestern die beiden Mitarbeiter in einem Baumarkt, morgens um halb neuen beim Weihnachtsbaumverkauf. Aber dann fällt mir schnell ein, Mensch du warst nicht anders. Ähnlich ging es mir als ich vor ca. zwanzig Jahren aufhörte zu rauchen.

Mir macht es auch nichts aus, für uns einen Eisbecher zu füllen und für meine Frau einen Eierlikör drüber zu gießen. Ich habe viele Flaschen Alkohol im Haus. Das stört mich, aber deshalb, weil viele Flaschen angefangen sind und sicher in den nächsten drei Jahren nicht alle werden. Warum? Aus obengenannten Gründen. Und es wird immer etwas Neues gekauft, um keine angefangene Flasche auf den Tisch zu stellen. Ich hab schon viel geschimpft. Aber auskippen will ich es auch nicht. Wenn ich es den Leuten am Kiosk gebe, tue ich ihnen auch nicht wirklich Gutes. 

Was mich bedrückt, ist, dass ich gewaltig an Gewicht zugelegt habe. Manche denken ja es ist ein anständiger Bierbauch, aber das ist ja falsch. Das Essen schmeckt mir jetzt in Variationen, die ich früher nie angefasst habe. Für mich gab es nur deutsche Küche und sonst nichts. Einmal habe ich im Italienurlaub ein paar Kilo verloren, weil ich kein Pizza-Freund war. Und jetzt esse ich sogar griechisch.

Ich muss nach den Feiertagen unbedingt was für meine Adonisfigur tun.

Desweiteren weiß ich nicht, ob ich so stark wäre, wie der eine trockene Alkoholkranke, der eine schlechte Nachricht nach der anderen über seinen Gesundheitszustand bekommt. Ich weiß es nicht und es wäre schön, wenn ich nicht auf diese Probe gestellt werde.

Ich hoffe ich bleibe so stark, wie ich jetzt bin. Zwei Badzimmerunfälle von zwei mir sehr guten Bekanntenn sind mir im Moment noch vor Augen. Der eine rutscht aus, bricht sich die Hüfte und wird sicher nie wieder richtig gehen können. Er lernt aber nicht daraus. Der andere rutscht in der Wanne aus, schlägt mit dem Kopf auf und hat Gehirnbluten. Sitzt jetzt im Rollstuhl, weiß nicht genau wer ich bin, lernt sprechen, gehen und so weiter. Ein Dritter wird mit 60 Rentner, zieht in ein Reihenhaus, stürzt die Treppe herunter und liegt zwei Jahre im Koma. Dann stirbt er. 

Und alle sind oder waren Alkoholkrank, wollten es aber nicht wahrhaben.

 

Das Allerletzte!


 

 

 

 

 

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